Die Tinktur des Todes ist der Auftakt zu einer medizinhistorischen Krimireihe, die im viktorianischen Edinburgh spielt. Hinter dem Pseudonym „Ambrose Parry“ verbirgt sich das Autorenduo und Ehepaar Marisa Haetzman und Christopher Brookmyre. Für den Roman haben der Autor und die Medizinhistorikerin ihr Können und Wissen zusammengebracht.
Die Tinktur des Todes – Darum geht’s:
Edinburgh, 1847: Der Medizinstudent Will Raven tritt seine Famulatur bei dem renommierten und über die Grenzend er Stadt hinaus bekannten Arzt Dr. Simpson an. Damit schafft er den Sprung aus der dunklen, schmutzigen Altstadt in die eher gutbürgerliche bis hochherrschaftliche Neustadt. Sarah, das wissbegierige Hausmädchen, merkt jedoch schnell, dass der junge Mann Geheimnisse hat und tatsächlich wird er von sehr realen Dämonen verfolgt. Während Will immer mehr über die neuartigen Methoden der Anästhesie lernt, sterben in der Stadt immer wieder junge Frauen auf die gleiche, grausame Weise. Gemeinsam versuchen Will und Sarah herauszufinden, was oder besser wer dahinter steckt.
Medizinhistorie trifft Krimi
Beim Lesen merkt man deutlich, dass sich Marisa Haetzman sehr intensiv mit der Geschichte der Anästhesie beschäftigt hat. Mitte des 19. Jahrhunderts steckt die Betäubung von Patienten bei Operationen oder Geburten noch in den Kinderschuhen. Äther ist bekannt, doch es kommt regelmäßig zu Anwendungsfehlern, Chloroform wird gerade erst entdeckt. Und wie immer bei wissenschaftlichen Entdeckungen gibt es die Befürworter und die, die alles Neue strikt ablehnen. So auch im Buch: Dr. Simpson und bald als Will Raven sind überzeugt vom Nutzen der Anästhesie für den Patienten, im Speziellen für Frauen, die in den Wehen liegen oder schwere Geburten vor sich haben.
Während Dr. Simpson den Frauen mehrheitlich hilft, treibt ein anderer sein Unwesen in Edinburgh. Er führt stümperhafte Abtreibungen durch oder verkauft den verzweifelten, meist jungen und mittellosen Frauen angeblich wirksame Pillen gegen ihr „Problem“. Als das Hausmädchen eines anderen Haushalts ebenfalls Opfer einer solchen Tat wird, beginnt auch Sarah, die das Mädchen gut gekannt hat, sich dafür zu interessieren. Mit ihrem Wissen über ihn kriegt sie Will Raven dazu, dass er sie in die Ermittlungen einbezieht. Selbstverständlich begeben sich die beiden damit in unmittelbare Gefahr…
Schaurige Atmosphäre und schrullige Charaktere
Das Autorenduo nimmt sich viel Zeit, um Edinburgh und die Atmosphäre der Stadt um 1847 zu beschreiben und aufzubauen. Nebel, Regen und Gaslaternen, dazu Kutschen, schmutzige Hinterhöfe und der krasse Gegensatz zwischen arm und reich haben mich sofort in die richtige Stimmung für diesen Krimi versetzt. Es ist alles ein bisschen kalt und düster, dazu die grausamen Morde an den jungen Frauen – für mich ein perfektes Setting.
Hinzu kommen die Charaktere – allen voran Will Raven. Er hat sich mit den falschen Leuten angelegt und trägt gleich zu Beginn die Konsequenzen. Seine Vergangenheit trägt er als Geheimnis mit sich herum und erst nach und nach darf man hinter die Fassade blicken. Ihm zur Seite steht Sarah, die als Hausmädchen kaum Chancen hat, gesellschaftlich aufzusteigen. Ihr Dilemma – lernen zu wollen, aber nicht studieren zu dürfen – ist allgegenwärtig. Doch sie ist klug, schlagfertig und macht das Beste daraus. Was zwischen den beiden passiert, ist ein klein wenig vorhersehbar, doch das hat mich überhaupt nicht gestört. Der Fokus lag klar auf anderen Themen – ob Medizingeschichte oder Krimi, da konnten sich die Autoren wohl auch nicht immer entscheiden 😉 Entsprechend ist das Buch mal mehr oder weniger spannend, die letzten 150 Seiten sind jedoch richtig rasant.
Fazit: Die Tinktur des Todes
Mir hat „Die Tinktur des Todes“ wirklich gut gefallen. Die Kombination aus Medizingeschichte und historischem Krimi ist den beiden Autoren meiner Meinung nach wirklich gut gelungen. Allerdings ist wenigstens ein gewisses Interesse an Geschichte und im Speziellen an der Geschichte der Medizin schon eine Voraussetzung, um sich in die Story hineinzufühlen. Haetzman und Brookmyre nehmen sich viel Zeit für die Entwicklung der Atmosphäre und der Charaktere. Man muss dranbleiben – aber es lohnt sich definitiv! Zumal es einen Cliffhanger am Ende gibt…