Ein Sommer am Ufer des Dnjepr ist der zweite Roman von André Bergelt. Sein Debüt „Affentanz! Sternstunden eines schlechten Verlierers“ erschien 2015, ebenfalls beim Mitteldeutschen Verlag.
Ein Sommer am Ufer des Dnjepr – Darum geht’s:
Es ist der Sommer 1979 und in Kiew ist es brütend heiß. Anton flüchtet mit seiner Oma Mina vor der Hitze der Stadt ins Umland, direkt am Fluss Dnjepr, wo sie im Haus des Generals wohnen. Mit der Natur hat es der Neunjährige nicht so, auch nicht mit den anderen Kindern der Siedlung – er spielt lieber Klarinette und übt Musiktheorie. Als er von einem Steg in den Fluss fällt und in die Strömung gerät, versucht ihn ein etwas älterer Junge zu retten. Obwohl Timur Punk und damit das Gegenteil von Anton ist, freunden sich die beiden an. Timur fordert Anton zum Duell heraus, um festzustellen, wer von ihnen mutiger ist: Punk oder Jazzer.
Momentaufnahme einer unbeschwerten Kindheit
Eigentlich lebt Anton in Berlin, doch die Sommerferien des Jahres 1979 verbringt er bei seiner Oma Mina in Kiew bzw. in einem kleinen Örtchen außerhalb, wo es im Sommer viele Städter hinzieht. Sie wohnen im Haus des Generals, der gemeinsam mit Antons Opa im Krieg gekämpft hat. Um genau diesen Opa ranken sich Gerüchte, dass er ein Rebell war, und Anton will in seine Fußstapfen treten. Da kommt ihm Timur, der elfjährige Punk gerade recht. Die Jungen freunden sich an und erleben ereignisreiche Wochen am Ufer des Flusses, bei dem Mut, Musik und natürlich auch Mädchen eine Rolle spielen.
Liest man die Biografie des Autors, zeigen sich doch einige Parallelen – das Leben in Berlin, die Sommer bei der Oma, eine ukrainische Jüdin, und die gemeinsamen Reisen nach Kiew. André Bergelt lässt Anton eine Menge erleben, vieles zum ersten Mal. Die beiden Jungen messen ihren Mut in Aufgaben, die ihnen der jeweils andere stellt. Ihr Leben ist unbeschwert und viele Verpflichtungen gibt es nicht. Als dann auch noch die Motorroller-Gang mit ihrer Anführerin Lina auftaucht, ist der Sommer perfekt.
Ernste Töne zwischen den Zeilen
Dieser erste Eindruck täuscht selbstverständlich, denn immerhin sind die Ereignisse auch in eine Zeit eingebettet, die nicht so unbeschwert war. Rock- und Punkmusik war zu jener Zeit in der Sowjetunion nicht allzu gern gesehen, Rebellen hatten es schwer. Und dann ist da noch Antons verschollener Großvater, dessen Geschichte sich nach und nach aufklärt. Zwischen aller Unbeschwertheit schlägt Bergelt also auch ernste Töne zwischen den Zeilen an, was mir sehr gut gefallen hat.
Gefallen hat mir auch die Figurenkonstellation. Vor allem Oma Mina ist ein richtiges Original, eine taffe Frau, die durchgreift, auch wenn diese Stärke nicht von ungefähr kommt, sondern Ergebnis früherer Ereignisse ist. Etwas irritierend fand ich dagegen die beiden Jungs. Anton ist neuneinhalb und Timur elf, beide wirken durch die Beschreibungen im Buch und nicht zuletzt auch durch die Wortwahl deutlich älter. Darüber bin ich immer wieder gestolpert und entsprechend unpassend finde ich ehrlicherweise auch das Cover.
Fazit: Ein Sommer am Ufer des Dnjepr
Abgesehen vom genannten Kritikpunkt hat mir „Ein Sommer am Ufer des Dnjepr“ sehr gut gefallen. Es lässt sich leicht und flüssig lesen, man taucht recht schnell ein in Antons Geschichte und in den Sommer 1979. Die Kombination aus Fiktion und der historischen Einbettung ist André Bergelt meiner Meinung nach sehr gut gelungen, auch das Nachwort ist dahingehend sehr informativ und lesenswert. Alles in allem eine richtig schöne Story, die wirklich am besten in die Sommermonate passt. Empfehle ich gern weiter!