Kaiserwetter in der Gosse ist nach „Die juten Sitten – Goldene Zwanziger. Dreckige Wahrheiten“ ein weiteres Buch, das sich dem verruchten Berlin zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts widmet. Diesmal erzählt Anna Basener jedoch die Geschichte von Minna, der Besitzerin der Mulackritze, kurz „Ritze“ in der Mulackstraße, und wie sie überhaupt dazu wurde.
Kaiserwetter in der Gosse – Darum geht’s:
1935 muss Minna schweren Herzens das Bordell „Ritze“ schließen und verlässt Berlin. Im Zug nach Frankreich erzählt sie dem Stricher Emil und ihrem ehemaligen Konkurrenten Gustav, wie alles anfing. Sie berichtet, wie 1895 aus dem einfachen Arbeitermädchen Minna die Lieblingsdirne eines Herzogs wird, wie sie sich in einen Zeremonienmeister des Kaisers verliebt hat und wie sie zu ihrem eigenen Bordell gekommen ist. Außerdem lüftet sie das Geheimnis um eine Orgie im Jagdschloss Grunewald und ein folgenschweres Duell…
Wer ist eigentlich Minna?
Wer sich diese Frage im ersten Band gestellt hat, wird in „Kaiserwetter in der Gosse“ Antworten finden. Ging es im ersten Teil um Hedwig, „Hedi“ genannt, steht nun die resolute Minna im Mittelpunkt – Bordellbesitzerin mit Berliner Schnauze. Die Rahmenhandlung spielt 1935: Die Nazis sind an der Macht, Hedi ist irgendwo in Paris und Minna kann nicht länger in Berlin bleiben. Gemeinsam mit Emil, dem Stricher, den sie in Band 1 aufnimmt, und Gustav sitzt sie im Zug nach Frankreich. Die Geschichte des Mädchens Minna, das jeden Tag in der Zigarrenfabrik schuftet, beginnt 1895. Mit ihrem Entschluss, nicht länger Arbeiterkind zu sein, sondern Edelprostituierte zu werden, bringt Minna allerlei Geschehnisse ins Rollen, die sogar die höchsten Adelskreise betreffen.
Lieber als Hörspiel hören?
Die Geschichte von Minna kannst du nicht nur als Hörbuch, sondern als richtiges Hörspiel mit mehreren Sprechern genießen! Probiere es einfach aus, der erste Monat ist gratis!*
Spiegel der Kaiserzeit
In diesem Band spielen die Kaiserzeit und die damaligen Verhältnisse – oder besser die Gesellschaftsschichten – eine wichtige Rolle. Minna könnte man getrost als Selfmade-Woman bezeichnen, denn anders als andere nimmt sie ihr Schicksal selbst in die Hand. Dabei verzichtet sie weder auf die Sprache der Gosse, aus der sie kommt, noch beugt sie sich irgendwelchen Konventionen. Mit Herz, Verstand und vor allem Bauernschläue gelingt es Minna, sich zumindest teilweise von ihrer Herkunft zu befreien und ein nahezu selbstbestimmtes, freies Leben zu führen. Eine absolute Seltenheit in der damaligen Zeit!
Fiktion und Historie verknüpft
Wie Anna Basener im Nachwort erklärt, hat es den historischen Kontext – die Gesellschaft im Grunewald, die sogenannte Kotze-Affäre und ein folgenschweres Duell – wirklich gegeben. Dass eine einfache, aber gewiefte Frau namens Minna etwas mit all dem zu tun hat, entspringt dagegen der Fantasie der Autorin. Im Nachhinein finde ich aber, dass es sich genauso zugetragen haben könnte. Mit anderen Worten: Anna Basener ist die Verknüpfung von Fiktion und Realität sehr gut gelungen. Dach Nachwort zu lesen, lohnt sich immer – in diesem Fall ganz besonders. Neben der Erklärung, was sich wann wie tatsächlich zugetragen hat, gibt es weiterführende Literatur für Interessierte.
Fazit: Kaiserwetter in der Gosse
„Die juten Sitten. Kaiserwetter in der Gosse“ war für mich eine gelungene Fortsetzung, besser gesagt ein Prequel. Der Aufbau auf zwei Zeitebenen hat mir sehr gut gefallen, wie schon beim Vorgängerband. Es war spannend, mehr über Minna zu erfahren und wie sie zu der Frau wurde, die man im vorherigen Buch kennengelernt hat. Kurzweilig, mit Humor, leicht frivol und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen erzählt Anna Basener Minnas Geschichte. Es geht um Prostitution – entsprechend freizügig ist die Sprache, die Dinge werden beim Namen genannt, Tabus gibt es kaum. Man sollte dahingehend schon ein bisschen was vertragen können, dann ist es definitiv eine unterhaltsame Lektüre. Gerne mehr davon!
Interessiert an der Reihe?
Hier gibt es meine Rezension zum ersten Band: „Die juten Sitten – Goldene Zwanziger. Dreckige Wahrheiten.“