Die Detektive vom Bhoot-Basar ist das Romandebüt von Deepa Anappara und wurde bisher in 16 Sprachen übersetzt. Die Autorin ist selbst im Süden Indiens aufgewachsen und hat als Journalistin gearbeitet, bevor sie in Großbritannien Creative Writing studierte. Sie beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Armut und religiöser Gewalt auf die kindliche Entwicklung und wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.
Die Detektive vom Bhoot-Basar – Darum geht’s:
Der neunjährige Jai lebt mit seinen Eltern und der drei Jahre älteren Schwester in einer einfachen Hütte in einem sogenannten Basti (was laut Glossar weiter hinten im Buch einfach „Siedlung“ oder „Armenviertel“ heißt). Er schaut leidenschaftlich gern Polizeiserien im Fernsehen und als eines Tages ein Junge aus seiner Klasse verschwindet, beschließt er, seine Kenntnisse anzuwenden, um den Jungen zu finden. Dabei ist er nicht allein: Pari, die die Schule über alles liebt, und Faiz, der nebenbei schon arbeiten geht, helfen ihm dabei. Zu dritt wagen sich die drei Detektive in die verwinkelten und durchaus gefährlichen Gassen des Bhoot-Basars. Als weitere Kinder und junge Erwachsene verschwinden, spitz sich die Lage in Jais Nachbarschaft zu.
Ganz anders als erwartet…
Nach der Lektüre kann ich sagen: Lasst euch nicht von dem fröhlichen bunten Cover täuschen. Wer hier eine Art „Drei ???“ in Indien erwartet, der täuscht sich gewaltig. Deepa Anapparas Roman ist so viel mehr als es auf den ersten Blick scheint. Mit einer gewissen kindlichen Naivität und Begeisterung für Detektivarbeit geht Jai an die Sache heran – glücklicherweise begleitet von einer guten Portion Skepsis gegenüber anderen Menschen. Es gab einige Szenen, bei denen ich dachte „Oh bitte, lass das gut gehen!“. Dank seiner besten Freunde Pari und Faiz ist Jai bei seinen „Ermittlungen“ nicht allein und sie setzen sich über einige Verbote hinweg, um die verschwundenen Kinder zu finden.
Der Großteil des Buches wird aus Jais Ich-Perspektive erzählt und so kindlich-naiv er in manchen Belangen ist, so abgeklärt ist er in anderen Bereichen. Es wird recht schnell deutlich, dass die Kinder in den ärmeren Gesellschaftsschichten sehr viel schneller erwachsen werden müssen als anderswo auf der Welt. Jai und seine Freunde sehen täglich, wie ihre Eltern schuften für wenig Geld, was es bedeutet, Hunger zu haben, und jederzeit damit rechnen zu müssen, dass die einfachen Hütten am Rande der Mülldeponie mit Bulldozern dem Erdboden gleich gemacht zu werden.
Ein Kritik an der indischen Gesellschaft
Mich hat immer wieder erschüttert, wie „normal“ und selbstverständlich Jai bestimmte Begebenheiten und Umstände schildert, weil er sie einfach nicht anders kennt. Für mich als außenstehende Leserin war das teilweise beklemmend, weil Jai und seine Freunde bei allem doch voller Hoffnung und Plänen für die Zukunft sind. Zwischen den Zeilen und umrahmt von der Geschichte wird aber Anapparas Kritik an der indischen Gesellschaft deutlich. Die Schere zwischen arm und reich, Korruption bei Polizei und Behörden, soziale und religiöse Spannungen – all diese Themen prangert die Autorin an. Mittendrin: Jai, seine Freunde und die Kinder, die nach und nach verschwinden. Letztere erhalten übrigens jeweils ein eigenes Kapitel im Buch.
Fazit: Die Detektive vom Bhoot-Basar
Als ich mich einmal an den Erzählstil und die regelmäßig eingeflochtenen indischen Begriffe gewöhnt hatte, fand ich „Die Detektive vom Bhoot-Basar“ sehr fesselnd. Der Roman liefert einen Widerspruch – die gesellschaftlichen Zustände auf der einen Seite und den unerschütterlichen Mut der Kinder auf der anderen Seite –, der unglaublich spannend ist. Mir hat der Roman vor Augen geführt, wie wenig ich eigentlich über das indische Leben, speziell das der Kinder, und die Gefahren, die es birgt, weiß. Dennoch ist es kein Roman, der mit erhobenem Zeigefinger daher kommt. Ich mochte Jai als Figur und auch seine Freunde wirklich sehr gern. Ich hatte die kleinen Detektive nach kurzer Zeit ins Herz geschlossen und habe mitgefiebert, in der Hoffnung, dass ihnen nichts geschieht. Wer zu diesem Roman greift, erhält eine wirklich tiefgründige Geschichte, aus der man vieles mitnehmen kann. Meiner Meinung nach ein sehr gelungenes Debüt!