Anna Basener: Die juten Sitten

Zeitreise in die schönen und dreckigen Zwanziger Jahre
24. Oktober 2020
Anna Basener Die juten Sitten Goldene Zwanzigerjahre

Die juten Sitten von Anna Basener ist zuerst 2019 als Audible Hörspiel erschienen und dort über Nacht auf Platz 1 geschossen. Endlich gibt es den entsprechenden Roman dazu, der den Leser in die verruchten Ecken Berlins ins Jahr 1927 bringt. Ein Muss für alle Fans der „Goldenen Zwanziger“!

Die juten Sitten – Darum geht’s

Berlin 1927: Die 8-jährige Hedi wächst bei ihrer Großmutter Minna im berühmt-berüchtigten Bordell „Ritze“ im Scheunenviertel auf. Von Minna sowie Colette, der schönsten Hure Berlins, und der Domina Natalia lernt das Mädchen alles, was es wissen muss. Dreißig Jahre später ist Hedi Belle eine gefeierte Hollywood-Diva – und sitzt im Knast. Sie hat einen Mann erschossen. Dem Journalisten Noah erzählt sie von ihrer Kindheit im Bordell.

Hereinspaziert in die „Ritze“

Von den schillernden „Goldenen Zwanzigern“ mit Charleston, Bubi-Köpfen und Champagner-Orgien hat wohl jeder schon gehört. In „Die juten Sitten“ lässt Anna Basener den Leser hinter die Kulissen schauen und offenbart das wahre Leben abseits des goldenen Glamours. Sie nimmt den Leser mit in die „Ritze“, einem von damals vielen berüchtigten Etablissements in Berlin. Minna führt das Haus in der Mulackstraße mit Sachverstand, Berliner Schnauze und viel Herz – auch wenn sie das nicht immer so deutlich zeigt. Mitten zwischen Huren, Freiern, Schnaps und alltäglichen Problemen wie Matheaufgaben wächst Hedi – eigentlich Hedwig – auf. Sie liebt ihre Großmutter, hasst ihren Vater und weiß schon mit 8 Jahren mehr, als andere jemals lernen werden.

Schonungslose Wahrheiten

Die „Goldenen Zwanziger“ waren unter anderem bekannt für ihre Freizügigkeit – und diese gibt es im Buch en masse. Wer bei Wörtern wie „Muschi“ oder „ficken“ rot wird, sollte das Buch lieber nicht zur Hand nehmen, denn hier wird Tacheles gesprochen. Der Leser bekommt einen schonungslosen Einblick in die damalige Welt der Prostitution, die sich lange Zeit am Rande der Illegalität bewegte. Auch Korruption, Bestechung und Verrat zum eigenen Vorteil gehörten zum Alltag, damit der ein oder andere Polizist nicht zu genau hinsah. Anna Basener lüftet den Vorhang, sie schockiert, sie lässt tief blicken und zeigt, dass damals nicht alles so golden an den „Goldenen Zwanzigern“ war.

Faszinierende Persönlichkeiten

Jede der Figuren, die eine Rolle in „Die juten Sitten“ spielt, hatte ihre ganz eigene Faszination. Die resolute Minna, die kühle Natalia, die wunderschöne Colette, der Stricher Emil und natürlich Hedi, die nicht auf den Kopf gefallen ist und der die Manipulation ihres Gegenübers quasi in die Wiege gelegt wurde. Man begleitet Hedi und die anderen eine Zeit lang und erlebt dabei Höhen und Tiefen. Manches sieht man kommen, ohne eingreifen zu können. Anderes passiert völlig unvorhergesehen und zieht den Leser in einen Strudel von Ereignissen.

Die Perspektive wechselt zwischen 1954 – Hedi sitzt im Frauengefängnis in Los Angeles – und den Monaten ab Oktober bis Ende des Jahres 1927. Zwei parallele Geschichten, die einzig einer Frage dienen: Warum hat Hedi diesen Mann erschossen und damit ihre gesamte Karriere aufgegeben?

Fazit: Die juten Sitten

Schmutzig, aufwühlend, erotisch – „Die juten Sitten“ bietet alles, was man von einem Roman erwarten kann, der im Berlin der Zwanzigerjahre spielt. Es ist nur bedingt die eigentliche Handlung, die den Leser fesselt. Es ist vielmehr der Mix auf Stimmungen und Gefühlen der einzelnen Personen, die hier ein mitreißendes Leseerlebnis schaffen. Die Sprache ist häufig vulgär, niemand nimmt ein Blatt vor den Mund, alle sind direkt und schonungslos. Doch es stört keinesfalls, im Gegenteil – oder wie Minna vielleicht sagen würde: „Und det is auch jut so!“

Die juten Sitten

Autor*in: Anna Basener
Übersetzung:
Kategorie*n: Historischer Roman | Roman
ISBN: 978-3-442-49098-1
Verlag: Goldmann
Seiten: 384
Copyright: Goldmann Verlag

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