Dörte Hansen: Zur See

Eine Insel, eine Familie, die Nordsee und viele Geschichten
8. Oktober 2022
Dörte Hansen Zur See Nordsee Penguin Randomhouse

Zur See ist nach „Altes Land“ und „Mittagsstunde“ der dritte Roman von Dörte Hansen und wieder führt er in den Norden Deutschlands. Diesmal auf eine nicht näher benannte Insel in der Nordsee und zur Familie Sander…

Zur See – Darum geht’s:

Seit fast 300 Jahren lebt die Familie Sander auf der kleinen Nordseeinsel und hat Generationen von Seemännern hervorgebracht. Irgendeiner von ihnen Vorfahr hat das Haus hinter dem Walknochenzaun gebaut. Heute lebt Hanne darin – drei Kinder hat sie großgezogen, von denen jüngst eines wieder eingezogen ist. Ihr Mann dagegen hat neben der Seefahrt auch die Familie hinter sich gelassen und sich der Natur und den Vögeln zugewandt. Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben dieser alteingesessenen Familie grundlegend.

„Irgendwo in diesem Haus, verborgen unter Deckenbalken, hinter Mauerankern oder alten Fliesen, in den Ritzen eines Knochenzauns vielleicht, müssten auch noch die Geschichten sein, die nicht geschrieben wurden: die Erinnerungen der Ertrunkenen, von einem Mast Erschlagenen, Verschollenen, Erfrorenen und an Skorbut Gestorbenen.“ (S. 11/12)

Fünf Leben, untrennbar verknüpft

Wortkarge Menschen sind die fünf Sanders, entsprechend wenig wird im Buch gesprochen. Doch stille Wasser sind tief, wie man so schön sagt. Das einvernehmliche Schweigen verbindet die Familie Sander, doch unter der Oberfläche lauern Gefühle und tiefgreifende Gedanken, Sehnsüchte und Ängste. Hanne, die früher Sommergäste beherbergte und heute in stummen Routinen feststeckt. Jens, der sein Seemannsleben gegen die Vogelbeobachtung eingetauscht hat, aber nach wie vor einsam ist. Der älteste Sohn, Ryckmer, ohne Kapitänspatent, dafür mit Hang zur Flasche. Eske, die Death Metal hört und sich den ganzen Körper tätowier lässt, aber Angst vor Nähe hat. Und Henrik, der Jüngste, der schon immer nur eines wollte: Am Strand sein.

Alle fünf Sanders stecken in ihren Routinen fest, zu denen auch Ängste und Grübeleien gehören. Was sie eint, ist das Nicht-drüber-sprechen und doch sind sie auf seltsame Weise miteinander verbunden. Im Laufe des Jahres warten Ereignisse, die das festgefahrene Gefüge erschüttern, zunächst sachte, dann mit voller Wucht.

Sprachlich wunderschön

Schon bei „Altes Land“ hat mich Dörte Hansens Schreibstil gefesselt, obwohl er völlig unaufgeregt ist. Ruhig und beinahe langsam entwickeln sich die Ereignisse, doch zu keinem Zeitpunkt langweilig. Dörte Hansen findet so passende Metaphern, beschreibt Gefühle unterschwellig und doch irgendwie auf den Punkt. Der Stil lässt sich schwer beschreiben, und doch passt er perfekt zur Story. Es gibt wenige Dialoge, doch vermisst habe ich sie nicht. Abwechselnd schildern die Kapitel immer die Gedanken und Gefühle von einem der fünf Familienmitglieder – und zwischendurch die des Inselpastors.

Die Hauptrolle hat jedoch – wie sollte es anders sein – die Nordsee und ihre Gezeiten. Das Meer ist immer präsent, es war immer da und jedes Familienmitglied hat seine ganz eigene Beziehung zur See.

Fazit: Zur See

Ich gebe zu, dass mich „Zur See“ rein von der Geschichte her nicht ganz so vom Hocker gehauen hat wie „Altes Land“. Trotzdem habe ich es sehr gerne gelesen, denn trotz der Unnahbarkeit sind mir die fünf Sanders irgendwie ans Herz gewachsen. Eine Familie, die zu wenig spricht, und doch unabdingbar verbunden ist. Mit hat das Buch gut gefallen und nun habe ich umso mehr Lust, auch Dörte Hansens zweites Buch, „Mittagsstunde“, endlich zu lesen!

Zur See

Autor*in: Dörte Hansen
Übersetzung:
Kategorie*n: Roman
ISBN: 978-3-328-60222-4
Verlag: Penguin
Seiten: 256
Copyright: Penguin

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