Ein irischer Dorfpolizist ist der erste Roman von Graham Norton, den man im englischsprachigen Raum vor allem als Talkmaster kennt. Das Buch erschien bereits 2016 im Original und wurde 2018 in Deutschland veröffentlicht. Seitdem hat Graham Norton noch zwei weitere Romane geschrieben.
Ein irischer Dorfpolizist – Darum geht’s:
Im Dorf Duneen, ganz im Süden Irlands gelegen, ist eigentlich nie etwas los, alles wirkt ein bisschen träge und trostlos. Und auch der Dorfpolizist, PJ Collins, hat eigentlich kaum etwas zu tun. Bis zu jenem Tag, an dem auf dem Gelände der Burke-Farm bei Bauarbeiten menschliche Überreste gefunden werden. Für die Dorfbewohner ist klar: Das müssen die Knochen von Tommy Burke sein, der vor zwanzig Jahren verschwand – an jenem Tag, als sich zwei junge Frauen mitten im Dorf um den jungen Mann prügelten…
Trügerische Dorfidylle
Zu Beginn scheint es ein weiterer, ganz normaler Tag im Örtchen Duneen zu sein. Jede*r Einwohner*in geht so ihren*seinen Aufgaben nach, man grüßt sich, man beobachtet sich. Auf den ersten Blick wirkt alles sehr unspektakulär, doch der Knochenfund bringt Bewegung in die jahrelange Lethargie des Dorfes. Plötzlich werden alte Geschichten wieder interessant und längst begraben geglaubte Geheimnisse kommen wieder ans Licht. Das Buch dreht sich um eine gute Handvoll Personen aus Duneen, allen voran der etwas füllige Dorfpolizist. Doch auch Brid Riordan und Evelyn Ross, die jüngste der drei Ross-Schwestern, haben ihr Päckchen zu tragen, und sind durch die 20 Jahre alten Ereignisse für immer miteinander verbunden.
Über die Spanne des Buches macht jede der Hauptfiguren eine gewisse Entwicklung durch. Welche genau, sei an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Am meisten überrascht jedoch PJ Collins, der nicht nur endlich seinen ersten richtigen Fall hat, sondern auch auf persönlicher Ebene die ein oder andere Herausforderung meistert. Und dabei eine Menge über sich selbst lernt…
Tiefgründig, humorvoll, spannend
Graham Nortens Stil ist – sicherlich auch Dank der guten Übersetzung von Karolina Fell – sehr gut zugänglich und flüssig lesbar. Es gibt einige Stellen, an denen die Geschichte doch recht tiefgründig und ernst wird, doch Norton hat ein Talent, diese Situationen mit einem gewissen schwarzen Humor aufzubrechen. Das hat mir wirklich gut gefallen. Neben den durchaus spannenden Krimielementen ist das Buch auch ein bissiger und gut beobachteter Gesellschaftsroman. Man fühlt sich inmitten der Dorfbewohner*innen als stiller Beobachter, der zusieht, wie die Dinge ihren Lauf nehmen. Dabei ist die Lösung nicht so schnell vorhersehbar, wie ich anfangs dachte.
Fazit: Ein irischer Dorfpolizist
Graham Nortons Buch lag bereits eine ganze Weile auf meinem Stapel ungelesener Bücher, bevor ich Ende 2022 spontan dazu gegriffen habe. Die Story und vor allem auch der Schreibstil haben mich schnell in ihren Bann gezogen und ich wollte unbedingt wissen, was vor 20 Jahren passiert ist. Von der Stimmung her passt das Buch sehr gut in die eher düstere Jahreszeit zwischen Oktober und März. Besonders gut hat mir der Humor gefallen, der immer mitschwingt, und sehr erfrischend ist. „Ein irischer Dorfpolizist“ hat absolut Lust auf die anderen Bücher des Autors gemacht.
Eine minimale Kritik muss ich aber dennoch äußern bzw. möchte wenigstens darauf hinweisen. PJ Collins kommt körpertechnisch schon im Klappentext schlecht weg. Er wird als „fett“ beschrieben, als jemand, der „schnell ins Schwitzen“ und „aus der Puste“ gerät. Leider grenzen auch die Beschreibungen im Buch doch sehr an Bodyshaming, was ich wirklich schade finde. Zumal die Körperfülle des Beamten nichts zur eigentlichen Story beiträgt. Sie dient lediglich als einer der Gründe dafür, warum PJ Collins menschlich der ist, der er ist. Man hätte jedoch auch einfach darauf verzichten können. Das ist mein einziger Kritikpunkt am Buch. Davon abgesehen, möchte ich dennoch eine Leseempfehlung aussprechen.