Heroin Chic ist der zweite Roman von Maria Kjos Fonn, die als freie Autorin in Oslo lebt. Schon ihr Debüt „Kinderwhore“, der 2019 ebenfalls im CulturBooks Verlag erschien, beschäftigt sich mit einem eher düsteren Thema. Und auch ihr aktueller Roman „Heroin Chic“ schickt die Leser*innen in die dunklen Abgründe einer jungen Seele…
Heroin Chic – Darum geht’s:
Elise, eine hübsche junge Frau mit langen blonden Haaren und goldener Singstimme, wächst behütet in einer gut bürgerlichen und musikalischen Familie in Oslo auf. Sie hat alles und sollte eigentlich glücklich sein, doch sie ist es nicht. In ihr ist eine Leere, die sie zu füllen versucht – erst mit Askese, dann mit Maßlosigkeit. Doch es hilft nicht, bis sie in Kontakt mit Drogen kommt. Sie geben ihr endlich das, was sie immer gesucht hat: das Nichts, in dem sie sich verlieren und verschwinden kann.
Hart und ungeschönt
Mit fast schon nüchterner Sprache zeigt Maria Kjos Fonn den Abstieg eines Mädchens auf, das eigentlich alles hat. Sie ist wunderschön und sehr begabt – und doch fühlt sich Elise nicht zugehörig. Doch anders als andere, sucht sie nicht nach mehr, sondern nach weniger, genau genommen dem Nichts. Ihr von Anfang an selbstzerstörerischer Weg führt sie in die Magersucht, in eine toxische und unangemessene Beziehung, hin zum Rausch – zuerst mit Alkohol und später mit Drogen. Die Leser*innen begleiten sie dabei hautnah und erleben die harte Realität, die Elise hinter ihrer Fassade für sich aufbaut.
Gut, aber furchtbar düster
Dieses Buch zu lesen ist – wie man so schön sagt – wie ein Unfall: Man möchte nicht zuschauen, kann aber auch nicht wegsehen. Elises Geschichte entwickelt einen Sog, der einen unwillkürlich in den Abgrund zieht. Der ungeschönte Schreibstil, die Ich-Perspektive und der Wechsel zwischen Gegenwart und Rückblicken fesseln, genauso wie die Hoffnung, dass Elise irgendwie die Kurve kriegt. Ich möchte nichts vorwegnehmen, aber: Das Buch ist düster, es ist bedrückend und macht betroffen… Denn es zeigt, dass nicht jeder, der nach außen hin glücklich scheint, es auch wirklich ist.
Neben Elises kontinuierlichem Weg in den Abgrund, ins Nichts, beleuchtet das Buch auch ein weiteres Thema: Co-Abhängigkeit. Elise bewegt sich nicht im luftleeren Raum oder ist völlig auf sich gestellt – im Gegenteil, sie hat ihre Eltern, ihren Freund, ihren Musiklehrer. Sie alle beeinflussen die Entscheidungen, die das Mädchen – und später die junge Frau – trifft. Diesen Aspekt fand ich sehr spannend, gerade weil Elise nicht aus einem „kaputten“ Umfeld, sondern sogar aus recht privilegierten Verhältnissen stammt.
Fazit: Heroin Chic
Obwohl es schrecklich – im Sinne von betroffen machend – ist, hat mir Heroin Chic gefallen. Die Geschichte ist düster und sehr intensiv, sie rüttelt an den Grenzen der Komfortzone und durchbricht sie teilweise. Ich möchte an dieser Stelle unbedingt auch eine Triggerwarnung aussprechen: Wer zu selbstverletzendem Verhalten neigt oder gegen eine Sucht kämpft, sollte dieses Buch auf gar keinen Fall lesen. Es geht um den schnellen Abstieg in eine Sucht, den schweren Weg heraus und um harte Rückschläge. Trotzdem ist der Roman – für alle anderen – durchaus lesenswert und meiner Meinung nach zu Recht mit einem Literaturpreis ausgezeichnet.