Die Gräfin ist das späte Debüt von Irma Nelles, die diesen Roman mit 78 Jahren schrieb. Sie wuchs selbst in der Nähe der Hallig Südfall auf und kannte die Legende der sogenannten „Hallig-Gräfin“.
Die Gräfin – Darum geht’s:
August, 1944: Bei einem Aufklärungsflug stürzt der britische Pilot John Philip Gunter mit seinem Flugzeug ab und landet im Watt nahe der Hallig Südfall. Dort leben nur drei Menschen: die etwa 80-jährige Gräfin Diana von Reventlow-Criminil, das Hausmädchen Meta und der Kutscher Maschmann. Bei einem Ausritt entdeckt die sogenannte „Hallig-Gräfin“ den verletzten Piloten und nimmt ihn in ihrem Haus auf. Trotz anfänglicher Skepsis verbindet die beiden bald ein zartes Band.
Kurzweilig und atmosphärisch
Kaum hatte ich die ersten Seiten gelesen, war ich so tief in der Geschichte drin, dass ich sie in einem Rutsch durchgelesen habe. Von Anfang an hat mich die von Irma Nelles geschaffene Stimmung in ihren Bann gezogen. Das einsame Leben auf der Hallig, abgeschnitten vom Festland, zwischen Ebbe und Flut, bisweilen auch Stürmen und meterhohen Wellen – das hat etwas Bedrohliches, Mystisches und gleichzeitig sehr Faszinierendes. Dazu die Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht und dadurch sehr authentisch wirkt. Ohne viel „Drumherum“ liest sich das Buch sehr flüssig und ist leider viel zu schnell vorbei.
Freunde oder Feinde?
Besonders gut hat mir die Dynamik zwischen der Gräfin und dem Piloten gefallen. Anfangs sind beide Seiten skeptisch – jeder meint, eventuell in eine Falle zu tappen. Doch der Pilot ist verletzt, also ist es für Gräfin Diana und ihr Hausmädchen nur menschlich, ihm zu helfen. Die Sprache ist keine Barriere und so spannt sich nach und nach ein zartes Band des Vertrauens zwischen den der alten Frau und dem viel jüngeren Mann.
die Hallig-Gräfin
Diana von Reventlow-Criminil hat es wirklich gegeben und offenbar war sie eine durchaus beeindruckende Persönlichkeit. Mit der Selbstverständlichkeit des Adels stellte sie sich gegen die Nationalsozialisten und half Verfolgten, sich zu verstecken bzw. über die Nordsee zu flüchten. Unter den Menschen, die von ihrer Hilfe profitierten, war auch ein englischer Pilot. Die historisch verbriefte Person der Hallig-Gräfin inspirierte Irma Nelles zu ihrem Roman, den sie mit 78 Jahren schrieb. Leider erlebte die Autorin die Veröffentlichung ihres Werkes nicht mehr, sie starb 2024.
Fazit: Die Gräfin
Die Gräfin von Irma Nelles ist meiner Meinung nach ideal für alle, die eine kurzweilige, aber atmosphärische Geschichte lesen wollen. Die knapp 170 Seiten lesen sich wirklich flüssig und ich war fast ein bisschen traurig, als die letzte Seite erreicht war. Das doch recht abrupte Ende ist auch der einzige Kritikpunkt, den ich habe. Ansonsten uneingeschränkte Empfehlung – ich habe Irma Nelles‘ Roman sehr gern gelesen!