Giovannis Zimmer entstand bereits 1956 und gilt heute als berühmtester Roman von James Baldwin. Das Besondere dabei: Ein Schwarzer Schriftsteller schreibt über die Beziehung von zwei weißen Männern – und das in den 1950er Jahren. Damals ein absolutes Tabu, heute ein Klassiker der (queeren) Literaturgeschichte.
Giovannis Zimmer – Darum geht’s:
Im Paris der 1950er Jahre lernt der junge Amerikaner David den attraktiven Barkeeper Giovanni kennen. Vom ersten Moment an ist er fasziniert von dem Italiener und sie beginnen schließlich eine leidenschaftliche Affäre. Doch Davids Gefühle schwanken ständig zwischen Begehren und Scham. Als schließlich seine Verlobte Hella aus Spanien zurückkehrt, verschweigt er ihr die Wahrheit und bricht den Kontakt zu Giovanni ab. Damit stürzt der diesen in eine tiefe Krise, die schließlich tragisch endet.
„Irgendjemand […] hätte uns erzählen sollen, dass nicht viele Menschen jemals an Liebe gestorben sind. Aber Massen sind zugrunde gegangen, gehen stündlich zugrunde, […] aus Mangel an Liebe.“ (S. 69)p>
Das Drama nimmt seinen Lauf…
Schon früh auf den ersten Seiten, auf denen David zurückblickt, wird klar, dass diese Geschichte kein gutes Ende nimmt. Ich fand es spannend, dass das von Anfang an so klar ist, und man das Buch dadurch aus einem ganz bestimmten Blickwinkel liest. Sprachlich ist der Roman durchaus anspruchsvoll und es dauerte ein wenig, ehe ich damit warm geworden bin. Doch spätestens, als David den schönen Giovanni kennenlernt, entwickelt die Story einen ganz eigenen Sog. Baldwin baut hier aufgrund der unterschiedlichen Zeitebenen einen sehr guten Spannungsbogen auf, der das Drama vorausahnen lässt.
Die Figuren
Zum Teil gestaltet sich die Geschichte wie eine Art Kammerspiel, beispielsweise in einem Restaurant, in dem Giovanni und David im Mittelpunkt stehen. Alle anderen Figuren spielen ihre Rolle und sorgen für den Handlungsrahmen. Ansonsten kennen die Leser*innen nur die Sicht von David, da das Buch aus der Ich-Perspektive geschrieben ist. Dadurch wird sehr schnell deutlich, wie widersprüchlich Davids Gefühle sind – sowohl Giovanni gegenüber als auch seiner Verlobten Hella, die später im Buch dazustößt. Entsprechend war mir David nicht sonderlich sympathisch und doch konnte ich seine Handlungen in gewisser Weise nachvollziehen. Man darf bei allem ja nicht vergessen, dass die Geschichte in den 1950er Jahren spielt. Und selbst wenn gewisse Kreise in Paris sehr offen waren, so war es die Mehrheit der Gesellschaft nicht.
Giovanni kann auch nicht als bloßes Opfer gesehen werden. Er entwickelt eine gewisse Obsession, die auf ihre Weise zum Scheitern der gesamten Beziehung beisteuert. Kurz gesagt: Niemand in diesem Buch ist wirklich auf Dauer glücklich. Etwas deprimierend, aber gleichzeitig eine wirklich interessante Gefühlsstudie. Unterstützt wird das Ganze vom Setting: Paris wird hier nicht durch die übliche kitschige Brille betrachtet, sondern sehr nüchtern und beinahe schmutzig. Und das titelgebende Zimmer? Verliert nach und nach seinen Reiz, gewinnt dafür an Enge und Tristesse.
Fazit: Giovannis Zimmer
Klassiker zu rezensieren, fällt mir immer etwas schwer. Dieses Buch habe ich in einem Buddyread gelesen und kann es sehr empfehlen. Der Austausch mit anderen Leser*innen eröffnet neue/andere Perspektiven und Fragen lassen sich gemeinsam klären. Alles in allem hat mir James Baldwins Roman gefallen – trotz des schwierigen Einstiegs und der insgesamt eher deprimierenden Geschichte. Ein Klassiker, den man gelesen haben kann – immerhin ist es doch ein bedeutendes Stück Literaturgeschichte, vor allem auch im queeren Bereich.