Cho Nam-Joo: Kim Jiyoung, geboren 1982

Feministischer Roman mit Tiefgang auf den zweiten Blick
19. März 2021
Cho Nam-Joo Kim Jiyoung, geboren 1982 Roman Südkorea Seoul

Kim Jiyoung, geboren 1982 – wohl kaum ein anderer Roman hat zu Beginn dieses Jahres so eingeschlagen, wie dieser Roman über eine höchst durchschnittliche junge Frau in Südkorea. Die Autorin Cho Nam-Joo zeichnet darin ein Frauenbild nach, das leider nicht nur in Korea weiterhin Bestand hat.

Kim Jiyoung, geboren 1982 – Darum geht’s:

Seoul, 2015: Kim Jiyoung ist Mitte 30, als sie sich das erste Mal auffällig verhält. Sie schlüpft in die Persönlichkeiten anderer ihr bekannter Frauen und scheint sich dabei selbst zu verlieren. In seiner Verzweiflung schickt ihr Mann sie zu einem Psychiater, aus dessen Sicht die Geschichte Kim Jiyoungs erzählt – oder besser berichtet – wird.

Wer ist Kim Jiyoung?

Wer ist die Frau, um die es geht? Kim Jiyoung ist verheiratet, Mutter einer kleinen Tochter und hat kürzlich ihren Beruf aufgegeben, um für das Kind und den Haushalt zu sorgen. Ihr Leben gleicht damit dem der meisten Mitdreißigerinnen in Südkorea. Die Leser*innen lernen die junge Frau 2015 kennen, als sie das erste Mal auffällig wird und scheinbar nahtlos in andere Personen – ebenfalls Frauen – schlüpft. Weil sich ihr Mann nicht anders zu helfen weiß, überlässt er das „Problem“ einem Psychiater. Nach und nach erzählt dieser die Geschichte Kim Jiyoungs nach. Die Kindheit mit einem Einblick in das Leben ihrer Mutter, die Schul- und Studienzeit sowie ihren Weg ins Berufsleben und schließlich in die Ehe und Mutterschaft. Dabei stößt sie immer wieder an Grenzen, auf Ungerechtigkeiten und muss sich dabei noch anhören, dass sie selbst schuld sei, wenn sie nachts von fremden Männern belästigt wird.

Tiefgründig – erst auf den zweiten Blick

Am diesem Buch scheiden sich – vielleicht zu Recht? – die Geister. Die einen sehen darin ein feministisches Manifest, dass die Welt mehr als nötig hatte, den anderen ist die Geschichte zu lasch, dafür, dass sie eine solche Bedeutung haben könnte. Meine Meinung liegt irgendwo dazwischen. Mir hat das Buch gefallen und ich kann die Jubelrufe durchaus nachvollziehen. Was zunächst nüchtern, sachlich, fast oberflächlich wirkt, hat mich dennoch berührt. Die tiefere Bedeutung dahinter liegt für mich darin, dass Kim Jiyoung stellvertretend für eine Menge Frauen steht – nicht nur in Südkorea, sondern weltweit.

„Wenn Frauen zu klug sind, fürchten Firmen, dass sie sich mit ihnen nichts als Ärger ins Haus holen. Sie sind das beste Beispiel, meine Teuerste. Sie sehen doch, was Sie uns für Scherereien machen.“ (S. 111)

Anprangern ja, aber ändern?

Der Weg, der für Jiyoung aufgrund gesellschaftlicher Normen, Erwartungen und nicht zuletzt gesetzlicher Gegebenheiten einfach nicht anders machbar war, trifft nicht für alle diese Frauen zu. In anderen Ländern sind es eben andere Restriktionen und Einschränkungen, die Frauen in ihrem normalen täglichen Leben hinnehmen müssen. Davon sind auch die vermeintlich fortschrittlichen Industrienationen nicht ausgenommen. Das Schlimme: Gerade in Südkorea – aber auch anderswo in der Welt – fügen sich die Frauen häufig freiwillig in eine bestimmte Rolle, einfach, weil man es eben so macht. Daran wird vermutlich auch dieser Roman nichts ändern – zumal diejenigen, die ihn lesen müssten, genau das wohl nicht tun werden.

Fazit: Kim Jiyoung, geboren 1982

Das Nüchterne am Roman, das viele kritisieren, hat mich gar nicht gestört. Im Gegenteil: Für mich hat dieser „Bericht“ das absolut durchschnittliche Leben dieser Frau noch verstärkt. Weniger berührt war ich dadurch nicht. Ich denke, verstanden zu haben, worum es der Autorin geht. Kim Jiyoung ist eine Art „Schablone“ für ihre Generation, wie man sie auch in anderen Ländern und Kulturen findet. Frauen werden häufig aufgrund von Normen daran gehindert, die eigene Selbstverwirklichung ins Zentrum ihres Strebens zu stellen. Schaffen sie es doch, erhalten die dafür ganz sicher nicht dieselbe Anerkennung wie ein Mann. Leider, leider wird wohl auch der Roman daran nichts ändern. Vielleicht kann er aber dazu beitragen, zu sensibilisieren.

Kim Jiyoung, geboren 1982

Autor*in: Cho Nam-Joo
Übersetzung:
Kategorie*n: Roman
ISBN: 978-3-462-05328-9
Verlag: KiWi (Kiepenheuer & Witsch)
Seiten: 208
Copyright: KiWi Verlag

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