Ragnar Jónasson: NEBEL

Das Finale der isländischen Hulda-Trilogie
26. September 2020
Ragnar Jonasson Nebel Titel

NEBEL ist der dritte und letzte Teil der sogenannten „Hulda-Trilogie“ von Ragnar Jónasson. Sie dreht sich, wie der Name schon sagt, um Hulda, Kommissarin bei der Kripo in Reykjavik. Das Besondere: Die Geschichte wird chronologisch rückwärts erzählt, d.h. im ersten Band in Hulda am ältesten. Ein spannender Ansatz, der durchaus aufgeht! Letztlich bekommt der Leser einen Einblick in das gesamte Leben von Hulda, der Kreis schließt sich mit diesem Teil.

NEBEL – Darum geht’s:

Das Buch „NEBEL“ gliedert sich in zwei Teile: eine Hälfte spielt in den Tagen rund um den Heiligabend 1987, die zweite Hälfte spielt im Februar 1988, also rund zwei Monate später. Im Februar 1988 wird Hulda kurz nach einem einschneidenden Schicksalsschlag, der ihre Familie Heiligabend heimsucht, zu einem Tatort in den Osten Islands gerufen. In einem völlig abgelegenen Bauernhof wurden die Leichen der beiden Bewohner gefunden. Sie sind seit etwa Weihnachten tot und so begibt sich Hulda, die zusätzlich mit einem Vermisstenfall zu tun hat, auf die Suche nach der Wahrheit. Was geschah in dem Bauernhaus an Weihnachten, während draußen ein Schneesturm tobte?

Gruselmomente nach Nordic-Noir-Tradition

Im ersten Teil wechselt der Erzählstrang zwischen Hulda, die im Fall der vermissten Unnur ermittelt, und dem Ehepaar Erla und Einar auf ihrem abgeschiedenen Hof im Osten Islands. Es ist fast Weihnachten, es schneit, ein Sturm zieht auf und wie jedes Jahr um die Zeit werden die beiden bald abgeschnitten sein von der Außenwelt. Doch dann klopft es an die Tür und ein verirrter Wanderer bittet um Asyl. Doch wer ist er wirklich und was will er auf dem abgelegenen Hof? Die Szenen sind düster, fast schon gruselig geschrieben. Man fühlt die Einsamkeit, spürt die Kälte durch die Ritzen des Hauses dringen und hört den Wind ums Haus pfeifen. Dann fällt auch noch der Strom aus und das Telefon funktioniert auch nicht mehr. Das war für mich ein sehr spannendes Setting und passte zu der Ungewissheit und letztlich Panik, die der fremde Besucher bei den beiden älteren Leuten auslöst. Parallel sieht man in Huldas privatem Umfeld die Katastrophe immer näherkommen, die ihren Höhepunkt ebenfalls am ersten Weihnachtsfeiertag findet.

Teil zwei, der im Februar 1988 spielt, bringt dann nach und nach Licht ins Dunkel und eröffnet dem Leser Detail für Detail, was sich auf dem Hof abgespielt hat und welche Verbindungen es zwischen den beiden Fällen gibt. Insgesamt für mich eine sehr gelungene Erzählweise, auch wenn ich den Mordfall bei Weitem nicht so spannend fand wie in „INSEL“, dem mittleren Teil der Trilogie.

Spiel mit der Chronologie

Durch die Aufteilung des Buches weiß der Leser von vornherein etwas mehr als Hulda. Außerdem kennt er ihre persönliche Geschichte aus den anderen beiden Teilen, die chronologisch später spielen und damit bereits einen Blick in die Zukunft gewährt haben. Vor diesem Hintergrund werden die Ereignisse, vor allem jene, die sich bei Hulda zu Hause abspielen, in ein völlig anderes Licht gerückt. Das Wissen darüber, was in „DUNKEL“ passiert und herauskommt, macht es für den Leser an manchen Stellen fast unerträglich, denn man möchte Hulda gern schütteln und ihr sagen, was noch alles auf sie zukommen wird. Von daher hat für mich die Idee, diese Trilogie rückwärts zu erzählen, sehr gut funktioniert.

Hulda – die tragische Antiheldin

Ja, es waren die 1980er Jahre und ja, wieder hat Hulda mit den Vorurteilen gegenüber einer Frau zu kämpfen, die eine höhere Position bei der Kripo bekleidet. Doch meiner Meinung nach ist einiges davon eingebildet und überinterpretiert. Hulda gibt die toughe Frau, die alles im Griff hat, doch im Grunde genommen führt sie ein sehr einsames Leben, in dem von Anfang an sehr viel schief gelaufen ist. Für einiges kann sie nichts, doch manches Leid ist durchaus selbstgewählt. Sie findet letztlich kaum Glück und ist für mich eine tragische Antiheldin, die leise untergeht und an die sich wohl niemand erinnern wird.

Fazit: NEBEL

Mit NEBEL findet die Trilogie meiner Meinung nach leider einen eher durchschnittlichen Abschluss. Für mich persönlich hat einfach die Spannung über das gesamte Buch hinweg gefehlt, der Teil war einfach deutlich schwächer als INSEL. Für die gesamte Trilogie würde ich trotzdem eine Leseempfehlung aussprechen, einfach weil es eine völlig andere Art des Erzählens ist und der Schreibstil wirklich klasse und sehr flüssig ist. Man muss sich bewusst machen, dass Hulda eine eher tragische Figur mit einem recht tragischen Leben ist und die Bücher keine klassischen Thriller, sondern eher Nordic-Noir-Krimis sind. Sie leben von der düsteren Stimmung sowie der kargen und eisigen Landschaft Islands.

NEBEL

Autor*in: Ragnar Jónasson
Übersetzung:
Kategorie*n: Kriminalroman | Thriller
ISBN: 978-3-442-75862-3
Verlag: btb
Seiten: 352
Copyright: btb Verlag

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