Niemandsmeer ist Hope Adams‘ erster historischer Kriminalroman, nachdem sie unter einem anderen Namen schon mehrere andere Bücher für Kinder und Erwachsene veröffentlicht hat. Hinzu kommt, dass das Setting und manche Personen auf wahren Begebenheiten basieren.
Niemandsmeer – Darum geht’s:
Juli 1841, irgendwo auf dem Ozean: Die „Rajah“ ist mit rund 200 Frauen an Bord auf dem Weg nach Tasmanien, damals in kolonialer Sprache noch „Van-Diemens-Land“ genannt. Alle Frauen wurden wegen kleinerer Verbrechen in Großbritannien verurteilt und werden nun in die Strafkolonie geschickt. Begleitet werden sie von der jungen Aufseherin Kezia Hayter, die auf der Reise als ihre Fürsprecherin agiert, und zudem ein besonderes Projekt plant. Mit einigen der Frauen möchte sie einen Quilt, also eine Patchwork-Decke nähen. Nach über 90 Tagen auf See wird eine der Frauen hinterrücks mit einem Messer erstochen. Zusammen mit dem Kapitän, dem Pastor und dem Schiffarzt geht Kezia der Frage nach, welche der anderen Frauen zu einem Mord fähig wäre.
Krimi auf See
Mich hat das Setting – der geschlossene Raum des Schiffes inmitten des Ozeans – von Anfang an gefesselt. Knapp 200 Frauen aus einfachsten Verhältnissen, die mehr oder weniger straffällig waren, eingepfercht auf wenigen Quadratmetern unter Deck. Das allein ist schon etwas bedrückend, auch wenn die Frauen versuchen, das Beste daraus zu machen. Als dann ein Mord geschieht ist klar, dass eine von ihnen scheinbar zu einer solch brutalen Tat fähig ist. Doch welche? Von Anfang an ist das Spannungsniveau recht hoch, ohne übertrieben zu sein. Es entspinnt sich ein Kriminalfall, dessen Aufklärung zu jeder Zeit spannend und interessant ist. Dabei schlägt der Roman eigentlich eher leise Töne an – diese Mischung fand ich sehr gut umgesetzt!
Authentische Figuren
Die Spannung wird auch durch die Perspektiv- und Zeitpunktwechsel getragen. Abwechselnd wird die Geschichte von Kezia, Clara – eine der verurteilten Frauen mit einem Geheimnis – und Hattie, das spätere Opfer, erzählt. Dazu wechseln Gegenwart, sprich die Tage nach dem Mord im Juli 1841, und Rückblenden zum Beginn der Reise etwa drei Monate zuvor. Nach und nach lernt man so die Frauen näher kennen, ihre Hintergründe, Sorgen und Ängste. Insgesamt wirken alle sehr authentisch und manche Schicksale sind beinahe traurig. Dazu Kezia, die für ihr junges Alter sehr ruhig und bedacht reagiert, und einen doch deutlichen Gegensatz zu den Frauen bildet. Gleichzeitig gehört sie zu ihnen, denn der Rest der Besatzung auf der „Rajah“ ist männlich. Doch Kezia schafft es, trotz oder gerade wegen ihrer ruhigen Art, einen gleichrangigen Gegenpol zu bilden.
Wahre Begebenheiten
Hope Adams verknüpft hier gekonnt Geschichte und Fiktion. Die „Rajah“ stach im April 1941 wirklich von London aus in See und hatte etwa 180 Stäflingsfrauen an Bord. Ihre Namen sind belegt – wenn auch im Buch aus Rücksicht auf lebende Nachfahren geändert –, ebenso die Tatsache, dass sie von der jungen – damals 23 Jahre alten – Kezia Hayter begleitet wurden. Auch den Kapitän, Charles Ferguson, gab es wirklich. Tatsächlich haben die Frauen für die Dauer der Reise an einem Nähprojekt gearbeitet: Der sogenannte „Rajah-Quilt“ ist heute Teil der Sammlung der National Gallery of Australia in Canberra und kann besichtigt werden.
Fazit: Niemandsmeer
Auf den einschlägigen Plattformen ist das Buch leider nicht häufig besprochen worden – sehr schade, wie ich finde! Denn Niemandsmeer bietet viel mehr als es auf den ersten Blick scheint und hat mich damit sehr überrascht! Schon nach den ersten Seiten war ich drin in der Geschichte und im Setting, das nochmal für sich betrachtet etwas Besonderes war. Trotz der Tatsache, dass die Frauen hier vor allem eine Näharbeit voranbringen, ist das Buch echt spannend und sehr empfehlenswert. Gerade weil es auf wahren Tatsachen beruht, regt es an, sich mit der Historie zu beschäftigen. Absolut gelungenes Debüt im Bereich historischer Kriminalroman, den ich gerne weiterempfehle!