Ragnar Jónasson: INSEL

Hulda auf dem Höhepunkt ihrer Karriere
16. Juli 2020
Ragnar Jónasson INSEL Titel

INSEL ist der zweite Teil der Trilogie um Kommissarin Hulda Hermannsdóttir, geschrieben von Ragnar Jónasson. Das Buch spielt etwa 15 Jahre vor den Ereignissen in DUNKEL, Hulda ist um die 50 Jahre alt. Ihr aktueller Fall führt sie diesmal auf eine abgelegene Insel, zur einsamsten Hütte Islands.

INSEL – Darum geht’s:

Island 1997: Hulda ist schon erfahrene Kommissarin in Reykjavík, wurde bei Beförderungen aber immer wieder übergangen. Sie wird auf eine einsame, völlig abgelegene Insel gerufen: Vier Freunde wollten dort das Wochenende verbringen, doch eine von ihnen ist tot. Was zunächst nach einem Unfall aussieht, stellt sich als Mord heraus. Hulda beginnt zu ermittelt und bald kreuzen sich die Wege mit einem alten Fall, der 1987 geschehen ist. Hulda stößt auf Lügen, Geheimnisse und einen Mörder, der vielleicht nicht nur einen Menschen auf dem Gewissen hat.

Spannender, undurchsichtiger Krimi

Auch dieser Teil der Trilogie ist für mich kein klassischer Thriller gewesen, sondern eher ein nordischer Noir-Krimi mit einigen Slow-Thrill- bzw. Gänsehaut-Elementen. Die Fälle – zwei Morde im Abstand von zehn Jahren innerhalb eines Freundeskreises – nehmen den Großteil des Buches in Anspruch. Die ersten 100 Seiten spielen 1987 und zeigen die Ereignisse vor dem ersten Mord. Der zweite Teil spielt 1997 und behandelt Huldas aktuellen Fall. Der Leser ahnt, dass beide Fälle zusammengehören müssen, doch die tatsächlichen Hintergründe, die den beiden Mädchen das Leben kosten, erschließen sich erst gegen Ende. Auf den eigentlichen Täter wäre ich nicht gekommen. Generell sind die Umstände recht nebulös und einige Details erfährt der Leser sogar erst im Epilog. Der geht unter die Haut, gerade weil darin Informationen offenbart werden, die Hulda nicht erfährt und die ihre Schatten vorauswerfen – bzw. zurückwerfen auf den ersten Teil, der chronologisch später spielt.

Weniger Hulda, mehr Ermittlungsarbeit

Ich mochte Hulda Hermannsdóttir zwar bereits im ersten Teil, allerdings war mir hier und da der Anteil an Selbstmitleid zu hoch. Sie hat einige Schicksalsschläge ertragen müssen, daher ist das zum Teil nachvollziehbar. Dennoch stand mir die Person zu sehr im Vordergrund. Im zweiten Teil kommt Hulda erst später so richtig zum Einsatz. Der Leser erfährt viel mehr von den Personen aus dem Freundeskreis, die zusammen auf die Insel fahren. Klar spielt Huldas Schicksal auch in diesem Buch eine Rolle, doch sie tritt hier viel mehr als wirklich gute Ermittlerin in Erscheinung. Diese Darstellung gefällt mir deutlich besser und macht es sehr spannend, sie bei dem Fall zu begleiten.

Nordic noir vor der Kulisse Islands

Neben dem gut durchdachten Fall versteht es Ragnar Jónasson auch in diesem Band, die einzigartige Kulisse Islands in sprachlichen Bildern darzustellen. Die einsame Landschaft, die Inseln, kargen Berge und kleinen Hütten tragen beträchtlich zur Atmosphäre des Buches bei. Das hat mir wieder sehr gut gefallen und hat das richtige Noir-Gefühl aufkommen lassen. Der Schreibstil ist sehr flüssig und gut lesbar, die Kapitel sind kurz und tragen zum Lesefluss bei. Durch die zeitliche Kennzeichnung der Teile sowie Hinweise auf die Person weiß der Leser jederzeit, wann, wo und bei wem er sich befindet. So verliert man nicht den Überblick. Im vorderen Teil des Buches ist außerdem eine Karte von Island abgebildet, in der die wichtigsten Handlungsorte im Buch markiert sind. Das Cover ist optisch ein echter Hingucker und haptisch sehr ansprechend.

Fazit: INSEL

Wem DUNKEL gefallen hat, der wird auch INSEL gerne lesen – vielleicht noch lieber. Meiner Meinung nach ist der zweite Teil sogar besser als der erste. Für mich lag das vor allem an der Darstellung Huldas als sehr gewissenhafte und talentierte Polizistin. Sie ist etwas jünger und noch nicht so verbittert wie im Vorgängerband. Der Fall ist spannend, die Atmosphäre sehr ansprechend und einige Details sind sogar richtig erschütternd. Eine Thriller ist es nicht, aber dennoch ein empfehlenswertes Lesevergnügen für alle, die nordische Noir-Krimis mögen.

INSEL

Autor*in: Ragnar Jónasson
Übersetzung:
Kategorie*n: Kriminalroman | Thriller
ISBN: 978-3-442-75861-6
Verlag: btb
Seiten: 384
Copyright: btb Verlag

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