Dunkel ist der Start einer dreiteiligen Thriller-Reihe des isländischen Autors Ragnar Jónasson. Zentrale Figur ist die Kommissarin Hulda Hermannsdóttir, die im ersten Band mit 64 Jahren kurz vor der Rente steht, obwohl sie alles andere als bereit dafür ist.
DUNKEL – darum geht’s:
Aus heiterem Himmel verkündet Huldas Chef, dass sie lieber heute als morgen in den Ruhestand gehen soll, denn sie muss Platz machen für einen jungen Nachfolger. Als letztes Zugeständnis darf sich die erfahrene Kommissarin aus Reykjavik einen Cold Case, also einen ungelösten Fall aussuchen. Schnell wird sie fündig und beschäftigt sich als letzte Amtshandlung mit dem Tod einer jungen Russin, die als Asylbewerberin nach Island gekommen ist und tot in einer Bucht aufgefunden wurde. Der ermittelnde Kollege hat den Fall mehr schlecht als recht bearbeitet und schnell als Selbstmord zu den Akten gelegt. Doch Hulda glaubt nicht, dass die junge Frau sich das Leben genommen hat und stößt bald auf Ungereimtheiten, die eindeutig auf einen Mord hinweisen.
Solider Kriminalroman, aber kein Thriller
Ich gebe zu, das Cover hat mich total angesprochen und auch der Titel selbst – DUNKEL – ist doch sehr verheißungsvoll. Ich habe eine düsteren, typisch nordischen Thriller erwartet, doch ein Thriller im klassischen Sinne ist es nicht. Vielmehr ist „Dunkel“ ein sehr guter, spannender Kriminalroman, der vor allem von seiner tragischen, vielschichtigen Heldin Hulda Hermannsdóttir lebt. Das Buch ist zweifelsohne eine Pageturner, die Geschichte reißt den Leser mit, es gibt diverse Perspektivwechsel, die die Spannung bis zum Ende hin aufbauen. Und dieses Ende hat es durchaus in sich!
Die „einsamste Kommissarin Islands“
So beschreibt der Klappentext Hulda Hermannsdóttir und tatsächlich könnte man mit der Kommissarin schon ein bisschen Mitleid haben. Sie ist sehr gut in ihrem Job, doch gewürdigt wird das nicht. Ihre Kindheit und das Verhältnis zur Mutter waren eher schwierig, wie man in eingeschobenen Passagen stückchenweise erfährt. Und auch um ihre eigene Familie rankt sich ein dunkles Geheimnis, das sich dem Leser erst am Ende offenbart und sehr überrascht zurücklässt. Hulda ist eine Außenseiterin, die sich durchkämpft, doch kaum Hilfe erfährt und langsam aber sicher aufs Abstellgleis geschoben wird. Die Argumente dafür werden teilweise recht häufig wiederholt und man könnte Hulda auch ein bisschen zu viel Selbstmitleid bescheinigen. Insgesamt passt es aber zu der doch eher tragisch gezeichneten Figur.
Fazit: DUNKEL von Ragnar Jónasson
Sieht man einmal davon ab, dass das Buch kein Thriller ist, hat man dennoch eine spannende Kriminalgeschichte, die logisch aufgebaut ist, realistisch wirkt und sich sehr gut lesen lässt. Hulda als Kommissarin ist auf ihre Weise sympathisch, man fühlt als Leser mit ihr, spürt jedoch auch die Einsamkeit, die tief in Inneren der älteren Frau herrscht. Wer einen brutalen, düsteren Thriller mit nervenzerreißender Spannung erwartet, der wird von diesem Buch wohl eher enttäuscht sein. Ich würde es eher als Noir-Krimi mit einigen spannungsgeladenen Elementen bezeichnen und wer sich darauf einlässt, den wird „Dunkel“ überzeugen.
Das Interessante an der Trilogie, deren weitere Teile „INSEL“ und „NEBEL“ im Juli bzw. September 2020 erscheinen, ist, dass „DUNKEL“ der letzte Teil ist. Die anderen beiden Teile spielen davor. Die Geschichte um Hulda Hermannsdóttir wird also „von hinten aufgerollt“, was ich durchaus spannend finde.