Die jüngste Tochter – La Petite Dernière – ist der Debütroman von Fatima Daas. Die Autorin wurde tatsächlich als jüngstes Kind algerischer Eltern geboren. Entsprechend autobiografisch ist ihr Werk geprägt, das in Frankreich wochenlang auf der Bestsellerliste stand und 2021 den Internationalen Literaturpreis erhielt. Ich wollte wissen, was hinter diesem gefeierten Roman steckt…
Die jüngste Tochter – Darum geht’s:
Fatima ist das Kind, auf das keiner gewartet hat und von dem der Vater hoffte, dass es ein Junge werden würde. Als einziges der Geschwister wird sie in Frankreich und nicht in Algerien geboren. Aufgewachsen im Pariser Vorort Clichy, ist Fatima als Jugendliche unangepasst und hängt am liebsten mit den Jungs ab. Sie zweifelt, hadert mit ihren Gefühlen, Liebe und Sexualität sind Tabuthemen daheim. Dabei fragt sie sich: Darf eine Muslima Frauen lieben? Ist Homosexualität mit tiefem Glauben vereinbar? Als Erwachsene blickt sie zurück – auf der Suche nach Antworten und Versöhnung.
„Ich heiße Fatima…“
Mit diesem Satz beginnt nahezu jedes der kurz gehaltenen Kapitel und jedes Mal folgt eine andere Erklärung zum Namen und ein Kapitel aus Fatimas Leben. Dabei geht es mal um ihre Geburt, die Eltern, um ihre Freunde, die Schule und ihre ersten Begegnungen mit Frauen, zu denen sie sich hingezogen fühlt. Nach und nach, Kapitel für Kapitel, ergibt sich ein vielschichtiges Bild von dieser Frau, die den großen Namen Fatima trägt. Sie öffnet Türen und kleinere Fenster, die den Leser*innen einen Einblick verschaffen in ein Leben, das von so viel mehr geprägt ist als von einem Namen.
„Ich heiße Fatima. Ich trage den Namen einer heiligen Figur des Islam. Ich trage einen Namen, den ich ehren muss. Einen Namen, den ich beschmutzt habe.“ (S. 125)
Klar, poetisch, stark
Die Kapitel sind teils sehr kurz, manchmal nur eine Seite lang. Daas schreibt kurze Sätze, die bisweilen nur aus einem Wort bestehen. Und doch hat dieser Stil etwas unheimlich Kraftvolles, denn hier wurde kein Wort zu viel verschwendet. Alles, jeder Satz, jedes einzelne Wort ist auf dem Punkt. Daas‘ Sprache ist wie ein Maschinengewehr, wie Feuerwerk – sie ist hart, sie knallt, sie trifft. Die Autorin geht mit sich und anderen, mit ihrem Glauben und der Liebe ins Gericht. Das ist nicht immer einfühlsam und dennoch hat der Roman etwas Poetisches und Berührendes. Man inhaliert die Sätze förmlich, denn sie entwickeln trotz ihrer Kürze einen enormen Sog.
Fazit: Die jüngste Tochter
Ich kann „Die jüngste Tochter“ von Fatima Daas rundheraus empfehlen und verstehen, warum er so hochgelobt wird. Dieser Roman greift ein unheimlich wichtiges Thema auf – Vereinbarkeit von Glauben und Homosexualität – und gilt zu Recht als wegweisend. Ich habe die knapp 190 Seiten in einem Rutsch gelesen und musste mich danach kurz sammeln. Die Wiederholung bzw. Abwandlung von ähnlichen Kapitelanfängen machen das Gelesene noch eindringlicher und veranlassen unwillkürlich zum Nachdenken!