Sylter Welle ist nach dem Gedichtband „Liebe in Zeiten der Follower“ Max Richard Leßmanns erster Roman. Der Autor ist selbst an der Nordsee aufgewachsen und viele kennen ihn vielleicht eher als Sänger der Band Vierkanttretlager.
Sylter Welle – Darum geht’s:
Jahrelang hat Max mit seinen Großeltern die Ferien auf dem Campingplatz auf Sylt verbracht. Jetzt, viele Jahre später, will das mittlerweile betagte Paar ein letztes Mal auf die Insel fahren. Sie laden Max zu sich ins Hotel „Sylter Welle“ ein, um drei Tage gemeinsam zu verbringen. Zunächst scheint alles wie immer – Oma Lore, die Matriarchin der Familie, gibt sich gewohnt kühl, Opa Ludwig setzt seinen einnehmenden Humor und seine Liebenswürdigkeit dagegen. Doch irgendwas hat sich verändert – weder Max noch seinen Großeltern sind noch dieselben wie früher.
Humor und viel Liebe zwischen den Zeilen
Schon auf den ersten Seiten hatte mich Max Richard Leßmann mit seinem trockenen Humor und den Beschreibungen von Landschaft und Leuten auf dem Punkt. So konnte ich mir die Überfahrt mit der Bahn nach Sylt und das Wiedersehen mit Oma Lore äußerst bildhaft vorstellen. Generell habe ich mich mehrfach während des Lesens beim Schmunzeln erwischt, manchmal mit einer wehmütigen Träne im Augenwinkel. Vielleicht weil es zwar nicht haargenau die gleichen Erinnerungen an eine relativ unbeschwerte Kindheit sind, aber dafür andere, individuelle Begebenheiten, die einem dabei einfallen.
Dass man ältere Leute manchmal für verschroben hält, ist ja nichts Neues und Teil einer jeden Generation. Doch wenn es um die eigenen Großeltern geht, mit ihren eigenwilligen Ritualen, teils fragwürdigen Meinungen und schrecklichem Musikgeschmack, mischt sich darunter eine gewisse Nachsichtigkeit bis hin zu Melancholie. Der Roman, dessen Story eigentlich auf einen Bierdeckel passt, löste eine breite Palette an Emotionen aus, was mir sehr gut gefallen hat.
Wenn sich alles ändert
Die Figurenzeichnung mochte ich ebenfalls – Oma Lore und Opa Ludwig hatte ich direkt vor Augen. Auch Max‘ Eltern, Max selbst und die ehemaligen Freundinnen, die zur Sprache kommen. Dass Opa Ludwig sich allerdings verändert hat, wird schnell klar und selbst Oma Lore, die sonst über den Dingen steht, ist das nicht ganz geheuer. Die Szenen zwischen Max und seinem Opa fand ich sehr süß und liebevoll geschildert, mit einer gewissen Prise passenden Humors. Ich finde generell, dass dem Autor dieser Spagat sehr gut gelingt. Das Buch ist lustig, aber es macht sich nicht lustig. Neben den Altersgebrechen kommen nämlich auch Probleme der jüngeren Generation zur Sprache – und so hat eben jede*r ihr*sein Päckchen zu tragen.
Fazit: Sylter Welle
Sylter Welle – ich liebe die Anspielung auf das Hotel, in dem Max offiziell gar nicht abgestiegen ist 😀 – hatte ich innerhalb kürzester Zeit durch. Es fließt dahin wie eben auch schöne Tage dahinfließen und viel zu schnell vorbei sind. Wer auf eine kleine Erinnerungstour gehen und die Zeit mit den eigenen Großeltern Revue passieren lassen möchte, der ist mit diesem Roman gut beraten. Absolute Empfehlung, die Erinnerung an den Geschmack von sauren Apfelringen auf der Zunge inklusive! 😊