Darktown erschien bereits 2016 in den USA und war 2020, nach diversen Vorkommnissen von Polizeigewalt gegen farbige Demonstranten, wieder in aller Munde. Nach der Lektüre, die mich einige Zeit gekostet hat, weil ich den Inhalt des Buches „verdauen“ und sacken lassen musste, kann ich sagen: zu Recht. Es stellt Gewalt gegen Farbige und Polizeiwillkür sowie Machtlosigkeit und himmelschreiende Ungerechtigkeit in den Fokus. „Darktown“ ist Band 1 einer Trilogie von Thomas Mullen: Ende 2019 folgte „Weißes Feuer“ (Originaltitel: „Lightning Men“) und im November 2020 erscheint „Lange Nacht“ (Orig. „Midnight Atlanta“).
Darktown – Darum geht’s
Atlanta 1948: Lucius Boggs und Tommy Smith gehören zur ersten farbigen Polizeieinheit, die gerade einmal acht Männer umfasst. Ihr Revier ist Darktown, das Viertel der farbigen Einwohner Atlantas. Doch der Job ist alles andere als einfach. Keiner nimmt die schwarzen Cops ernst – weder die „eigenen“ Leute, noch die weißen Polizisten. Als eine farbige junge Frau tot aufgefunden wird, interessiert das niemanden außer Boggs und Smith. Heimlich und völlig ohne Befugnisse nehmen sie die Ermittlungen auf und versuchen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Dabei riskieren sie nicht nur ihren Job, sondern auch ihr Leben.
Rassismus und Willkür an der Tagesordnung
Erschreckend detailliert beschreibt Mullen das tägliche Leben in Darktown von 1948. Rassentrennung und gelebter Rassismus, durchgesetzt mit Polizeigewalt, die völlig ohne Konsequenzen bleibt für die weißen Cops. Unterwürfigkeit, Hoffnungslosigkeit und der Wunsch, einfach ein normales Leben zu führen, stehen auf der anderen Seite. Man könnte meinen, dass die erste Einheit farbiger Cops ein Schritt in die richtige Richtung wäre, doch deren Existenz ist kaum mehr als nette Fassade. Denn Befugnisse haben sie nicht: Das Polizeipräsidium dürfen sie nicht betreten, weiße Verdächtige dürfen sie nicht festnehmen. Selbst einfachste Vergehen gegen die Dienstordnung, z.B. Alkohol zu trinken, kann sie den Job kosten.
Gesellschaftsroman meets Krimi
Das Buch ist spannend und fesselnd geschrieben, Mullen schildert eindrücklich und wortgewandt den Alltag der farbigen Polizisten. Er hat mit Darktown in jeden Fall einen Gesellschaftsroman geschrieben, der seines gleichen sucht. Das allein lohnt schon zu lesen, doch die Geschichte liefert noch mehr. Das tote farbige Mädchen, erschossen und achtlos auf einer Müllhalde entsorgt, ist ein Fall, der weite Kreise zieht. So entwickelt sich das Buch zu einem spannenden, tiefgründigen Krimi, dessen Lösung alles andere als eindimensional ist. Hinzu kommt die beklemmende Atmosphäre der stickig-heißen Stadt, der schwelende Unmut der farbigen Bevölkerung und die brutal durchgesetzte Vorherrschaft der Weißen.