Sophie Hardcastle: Unter Deck

Ein Roman so tiefgründig wie das Meer
3. Juni 2021
Sophie Hardcastle Unter Deck Below Deck Australien Kein & Aber Roman

Unter Deck ist der erste Roman der australischen Künstlerin und Autorin Sophie Hardcastle, der ins Deutsche übersetzt wurde. Er erschien im Mai 2021 beim Verlag Kein & Aber. Nachdem mich einige Rezensionen neugierig gemacht haben, wollte ich diesen Roman unbedingt lesen…

Unter Deck – Darum geht’s:

Ein Segeltörn, der unvermittelt zum traumatischen Erlebnis* wird – genau das geschieht Olivia. Eben noch wähnte sie sich in der Sicherheit des weiten, unendlichen Meeres, das sie mit all ihren Sinnen liebt. Und einen Moment später verschwindet all das in einem tiefen, satten Rot, das sie bisher nicht kannte. Danach heißt es: Überleben und den Weg zu sich selbst zurückfinden.

Eine Frau, drei Leben

Zugegeben, die Inhaltsangabe klingt etwas kryptisch, doch es ist gar nicht so leicht, diesen Roman in kurzen prägnanten Sätzen zusammenzufassen. Dafür ist er zu vielschichtig, zu tiefgründig und im wahrsten Sinne im Fluss – denn alles hängt miteinander zusammen. Im Mittelpunkt steht Olivia, in Australien geboren, die wir in drei Phasen ihres Lebens begleiten. Das Leben „davor“ mit zarten 21 Jahren, das Leben in der Mitte mit 25 und das Leben „danach“ mit 29, an der Schwelle zur 30.

Durch Zufall macht Oli mit 21 die Bekanntschaft von Mac, ein gutmütiger alternder Seebär, und Maggie, einer blinden Künstlerin. Von ihnen lernt die junge Frau alles, was es über das Meer und das Segeln zu wissen gibt. Obwohl das Meer schon immer Teil von ihr war, lernt sie, es mit völlig anderen Augen zu sehen, dessen Weite und unergründliche Schönheit zu respektieren. Vier Jahre später hat sie beruflich mit dem Segeln zu tun, bis sich ein vermeintlich leichter Überführungstörn als der größte Fehler ihres Lebens herausstellt. Sie wird von einem der jungen Männer vergewaltigt und unter Deck eingesperrt. Wieder vier Jahre später lebt sie in London und hat seit dem Vorfall nie wieder einen Fuß auf ein Boot geschweige denn ins Wasser gesetzt. Nur langsam kehrt sie ins Leben zurück – nicht zuletzt mit der Hilfe zahlreicher starker Frauen.

Wundervoll, erschütternd, Mut machend

So unterschiedlich, wie ihre Lebensphasen verlaufen, so verschieden ist die Stimmung des Buches. Mit Oli verändert sich auch ihre Sicht auf das Meer bzw. das Wasser, das immer da ist, aber seine verschiedenen Seiten im Mittelpunkt stehen. Wunderschön, türkisblau und artenreich, über tosend, stinkend und zerstörerisch, bis hin zu glasklar, eiskalt und reinigend. Diese Verknüpfung von Oli und dem Meer über das ganze Buch hinweg hat mir sehr gut gefallen. Es fungiert als Metapher und diese finde ich enorm gelungen. So tragisch die Ereignisse sind, so Mut machend finde ich persönlich das Ende. Insgesamt bleibt es offen, aber man spürt den Frieden, den Oli ganz zart beginnt, mit sich selbst zu schließen.

Etwas ganz Besonderes

Ich gebe zu, dass ich zu diesem Buch wohl nie gegriffen hätte – ein Fehler! Sprachlich ist es herausragend – wunderschön geschrieben, fast poetisch und gleichzeitig so klar. Die Geschichte lebt von starken Frauen – sie finden Oli und Oli findet sie. Man erkennt sich und teilt Schicksale. Einen ganz wunderbaren Aspekt fand ich Olis Synästhesie – sie sieht Geräusche in ihrem jeweiligen Farbspektrum. Das war sehr gut in die Geschichte eingeflochten und machte viele Erlebnisse wesentlich greifbarer und sehr gut vorstellbar.

Fazit: Unter Deck

Ich bin richtig glücklich, „Unter Deck“ gelesen zu haben! Innerhalb von zwei Tagen habe ich Olis Geschichte förmlich inhaliert. Ich habe mit ihr die unendliche Schönheit des Meeres kennengelernt, habe ihren ebenso unendlichen Schmerz geteilt und gemeinsam mit ihr Hoffnung geschöpft. Darüber hinaus waren die Farbenexplosionen in Olis Kopf so greifbar und bildhaft, dass der Roman ein ganz besonderes Leseerlebnis für mich war.

*Triggerwarnung: Sexueller Missbrauch, sexualisierte Gewalt.

Unter Deck

Autor*in: Sophie Hardcastle
Übersetzung:
Kategorie*n: Roman
ISBN: 978-3-0369-5831-6
Verlag: Kein & Aber
Seiten: 320
Copyright: Kein & Aber

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