Nora Burgard-Arp: Wir doch nicht

Eine Dystopie, die erschreckend real wirkt
7. Januar 2023
Nora Burgard-Arp Wir doch nicht Dystopie Roman Zukunft Katapult Verlag Hamburg Deutschland

Wir doch nicht ist der Debütroman von Nora Burgard-Arp, die als Journalistin im Hamburg tätig ist. Für ihren ersten Roman hat sie sich direkt ein Thema herausgesucht, das aufrüttelt und leider sehr aktuell ist…

Wir doch nicht – Darum geht’s:

Mathilda ist 37 Jahre alt, verheiratet mit Finn, lebt in Hamburg irgendwann in der Zukunft – und sie ist schwanger. Doch Mathilda will dieses Kind nicht und beendet die Schwangerschaft mit einem Kleiderbügel. Im neuen Deutschland, das die SfDD seit geraumer Zeit zu einer Diktatur umstrukturiert hat, ist das verboten und Mathilda droht eine lebenslange Haftstrafe. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, geht sie diesen radikalen Schritt, denn es ist vielleicht die einzige Möglichkeit, sich dem Regime zu widersetzen.

Erschreckend reale Dystopie

Das Buch spielt irgendwann in der Zukunft, ein genaues Jahr wird nicht genannt, doch es wird erwähnt, dass Mathilda als Kind die Corona-Pandemie erlebt hat. In den Jahren, die vergangen sind, hat sich Deutschland gewandelt – von einer Demokratie über eine Gesellschaft, deren Ideale radikaler werden, bis schließlich hin zu einer Diktatur. Die Gesetze – oder nennen wir es Verbote –, die die Regierung erlässt, betreffen in erster Linie Frauen: Mathilda und ihre Freundinnen konnten ihr Studium abschließen, aber arbeiten dürfen sie nicht. Einmal pro Woche gibt es eine Stammtisch, der verpflichtend für alle Frauen der Nachbarschaft ist. Nicht zu erscheinen, wird bestraft. Ziel ist die absolute Kontrolle, sogar über die Körper der Frauen, denn der Zyklus muss detailliert getrackt werden und darf jederzeit kontrolliert werden.

In Zeiten, in denen sogar in Ländern wie der USA ein Abtreibungsverbot erlassen werden kann, wirkt diese Zukunftsvision leider erschreckend real. Immer häufiger wenden sich vermeintlich fortschrittliche Länder von demokratischen Grundwerten ab hin zu eigentlich völlig überholten, konservativen Rollenbildern. Frauen, die nicht mehr über ihren Körper bestimmen können, sind defacto nicht mehr frei – und genau so etwas passiert leider derzeit. Nora Burgard-Arp hat mit ihrem Buch zwar eine Dystopie beschrieben, doch leider wirkt das alles nicht so weit weg, wie ich es mir persönlich wünschen würde.

Fügen oder Flucht?

Mit zunehmender Einengung beginnt auch Mathilda zu überlegen, was sie tun soll. Ihr Körper soll das einzige bleiben, über das niemand einfach so verfügen kann. Ihr Mann ist dahingehend keine Hilfe und auch sonst niemand – alle Freundinnen und Nachbarinnen fügen sich den Gesetzen, die die Frauen zu nichts weiter als Gebärmaschinen degradieren. Beim Lesen hatte ich immer wieder leichte „The Handmaid’s Tale“-Vibes, was das ganze Szenario noch erschreckender machte. Am Ende bleibt bloß eine Entscheidung: Gehen oder Bleiben? So oder so stellt sich die Frage nach dem Wie?

Fazit: Wir doch nicht

Mit „Wir doch nicht“ hat Nora Burgard-Arp eine äußerst beunruhigende, aber gleichzeitig gar nicht so unrealistische Vision der Zukunft aufgezeigt. Es wird sehr deutlich, wie fließend hier die Übergänge von radikalen Ideen zu Diktatur sind, und was passiert, wenn immer mehr Menschen sagen „Wir sind ja keine Rassisten, ABER…“ Finn, Mathildas Mann, war ein sehr gutes Beispiel für dieses Mitläufertum, vor allem, weil er zur Gruppe derjenigen gehört, die trotz der Gesetze sehr gut existieren können und sich kaum einschränken müssen.
Das Buch ist aufrüttelnd und macht sehr nachdenklich. Es zwingt einen, sich wieder bewusst zu machen, dass nichts selbstverständlich ist oder von ewiger Dauer sein muss, nur weil es einmal etabliert wurde. Es zeigt, wie schnell sich die Dinge ändern können – und zwar nicht zum Guten, sondern im Gegenteil. Daher ist es meiner Meinung nach ein unbedingtes Must-Read für alle. Von mir eine klare Leseempfehlung, doch gleichzeitig die TW bzgl. Schwangerschaftsabbruch/Abtreibung.

Wir doch nicht

Autor*in: Nora Burgard-Arp
Übersetzung:
Kategorie*n: Dystopie | Roman
ISBN: 978-3-948923-38-9
Verlag: Katapult
Seiten: 224
Copyright: Katapult

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